Leseandacht zum 4. Sonntag in der Passionszeit
Einladung von Pfarrer Arndt Kopp-Gärtner zum gemeinsamen Gebet:
Sie können die Ansprache zu Jesaja 66, 10-14 hier herunterladen: Ansprache zu Jesaja 66 (pdf)
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Begrüßung
Einen guten Morgen wünsche ich Ihnen zur Andacht zum 4. Sonntag in der Passionszeit. „Lätare“ heißt der Sonntag: „Freut euch!“
Diese Aufforderung kommt uns mitten in einer schwierigen Zeit entgegen mit vielen Einschränkungen des gewohnten Lebens. Dass hinter der Aufforderung „Freut euch!“ mehr steht als nur ein positiver Gedanke – darum geht es heute.
Wir hören von Trost mitten im Schmerz, von Licht mitten in der Dunkelheit, von Leben, wo wir keines sehen. Es klingt schon etwas von Ostern an, von jener Hoffnung, die in der Auferstehung Jesu Christi gründet. So sagt der Wochenspruch aus dem Johannesevangelium (12,24): „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.“
Gebet
Ich lade ein zum Gebet!
Gott des Lebens, bei dir sind wir Zuhause. Denn Deine Liebe hält manches aus.
Du liebst, wo wir nur Ohnmacht spüren.
Du gibst dich hin, wo uns andere gleichgütig sind.
Du säest Vertrauen, wo die Angst überhandnimmt.
Und manchmal überraschst du uns, weil du uns menschlicher begegnest, als wir es dir zugestehen.
Schenke uns offene Augen, Ohren und Herzen für deine Spuren und Verheißungen in dieser Welt.
Darum bitten wir Dich durch Jesus Christus, in dessen Leiden und Sterben der Keim neuen Leben verborgen ist, und mit Dir und dem Heiligen Geist lebt in Ewigkeit. Amen.
Ansprache zu Jesaja 66,10-14
Lätare – Freut euch. Heißt der heutige Sonntag.
Jeder Sonntag durchbricht die Passionszeit.
Mit diesem Namen wird das noch deutlicher. Aber freuen? Worauf? In diesen Zeiten?
Das V-Wort geht um – und das C-Wort.
V wie Virus, C wie Corona. Die Folgen sind dramatisch.
Hätten Sie sich das noch vor wenigen Wochen vorstellen können?
Schulen und Unis geschlossen; keine Gottesdienste mehr; keine Veranstaltungen, keine Events; Ausgangsbeschränkungen – wer kannte das noch?
Abstand ist gefragt. Soziale Distanz. Zu Hause bleiben.
Die Hoffnung: die Verbreitung verlangsamen, damit die Krankenhäuser die Anzahl packen.
Das soziale Leben dümpelt auf Sparflamme. Mitten ins Herz trifft uns als Kirche das.
Gottes Nähe zu den Menschen? Nicht mehr erfahrbar durch menschliche Nähe.
Besuche in Altersheimen und Spitälern? Geht nicht – zu groß die Ansteckungsgefahr.
Erleben von Gemeinschaft in Gottesdiensten, Kirchenkaffee, Nachmittagen, KonfirmandInnenGruppe usw. – zur Zeit alles auf Eis gelegt.
Freude kommt da keine auf. Freut euch! So aber beginnt der Text für den heutigen Sonntag.
Er stammt aus dem Buch des Propheten Jesaja, im 66. Kapitel. Dort lesen wir:
(10) Freuet euch mit Jerusalem und seid fröhlich über die Stadt, alle, die ihr sie liebhabt! Freuet euch mit ihr, alle, die ihr über sie traurig gewesen seid.
(11) Denn nun dürft ihr saugen und euch satt trinken an den Brüsten ihres Trostes; denn nun dürft ihr reichlich trinken und euch erfreuen an dem Reichtum ihrer Mutterbrust.
(12) Denn so spricht der HERR: „Siehe, ich breite aus bei ihr den Frieden wie einen Strom und den Reichtum der Völker wie einen überströmenden Bach. Ihre Kinder sollen auf dem Arm getragen werden, und auf den Knien wird man sie liebkosen.
(13) Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet; ja, ihr sollt an Jerusalem getröstet werden.
(14) Ihr werdet’s sehen, und euer Herz wird sich freuen, und euer Gebein soll grünen wie Gras. Dann wird man erkennen die Hand des HERRN an seinen Knechten und den Zorn an seinen Feinden.“
Freut euch mit Jerusalem! Hören wir.
Dabei: Grund zur Freude gab es nicht allzu viel. Jene, die sich freuen sollen – es sind Heimkehrer.
Sie sind aus dem Exil in Babylon nach Jerusalem zurückgekehrt – nun stehen sie in der Stadt herum. Und wissen nicht so recht, was sie da sollen. Sie sind enttäuscht, sind ratlos, sind erschöpft.
Denn Jerusalem ist noch mehr Trümmerstätte, weniger eine blühende Stadt.
Wenig Leben pulsiert da. Die meisten kämpfen ums Überleben.
Ein Bild des Jammers. Und vielleicht dachte sich so mancher von den Heimkehrern:
„Was soll das alles?“
Was passiert ist? Die Großeltern hatten Krieg geführt –
gegen die Babylonier – sie vertrauten auf Waffen; aber auch auf Gott,
der doch eingreifen wird; so wie damals: als das assyrische Heer vor Jerusalem stand –
und dann die Belagerung abbrach.
Bis heute unklar warum.
Aber Jerusalem und damit das Südreich Juda war damals gerettet.
Gott hat für sein Volk Partei ergriffen. Und warum sollte er das jetzt nicht auch tun?
Nun eben gegen die Babylonier.
Eine Fehleinschätzung – mit fatalen Folgen:
Jerusalem wurde 586 dem Erdboden gleichgemacht;
der Tempel in Schutt und Asche gelegt;
wer aus der Oberschicht überlebte, wurde umgesiedelt nach Babylon.
Das Exil begann. Das Südreich Juda verschwand von der Landkarte.
Ja, in Babylon konnte man sich eine neue Existenz aufbauen – manche schafften sogar eine höhere Beamtenlaufbahn im babylonischen Staat.
Die Sehnsucht aber galt der Heimat: Jerusalem.
Gut 50 Jahre später treten die Perser auf den Plan.
Sie übernehmen das babylonische Reich. Nun können sie zurück –
die Perser erlauben es. Rückkehr in die Heimat der Vorväter und -mütter.
Die Freude in Babylon ist nun groß. Der Katzenjammer folgt in Juda auf dem Fuß:
jetzt sind sie in der Heimat – aber sie ist fremd.
Ruinen werfen ihre langen Schatten. Wiederaufbau?
Wie ist das nur zu schaffen? Was die Großeltern und Eltern so inbrünstig herbeigesehnt haben, es entpuppt sich als Alptraum. So stehen sie in Jerusalem: enttäuscht, ratlos, erschöpft.
Ein Bild des Jammers.
Es folgt ein Lehrstück in Sachen Motivation, göttlicher Motivation.
Gott schaut auf sein Volk. Wo Ruinen das Bild bestimmen –
Gott sieht schon eine Stadt. Wo Krieg und Gewalt ihre Spuren hinterlassen haben –
Gott sieht schon eine Heimat.
Dann geht es zur Sache: es wird konkret, körperlich –
ein Rückblick auf erste Erfahrungen im Leben: die prall gefüllte Mutterbrust – an der das Menschenkind saugt und sich sättigt –
so viel Trost und Freude werden Menschen in Andacht Seite 6 von 12 Jerusalem erfahren –
oder besser: sie werden Trost und Freude aufsaugen wie ein Säugling an der Brust seiner Mutter.
Das gilt erst einmal für Jerusalem –
sie, die Stadt, wird sich so entwickeln, dass Trost und Freude im Überfluss da sind.
Wenige Zeilen später wird klar, wer dahintersteckt:
Es ist Gott, der sich hier ganz mütterlich gibt.
Er nimmt sein Volk quasi zur Brust – nur diesmal, um es zu trösten, um es aufzubauen, um es zu kräftigen, zu motivieren.
Frieden wird sein und Reichtum einkehren.
Dann werden Kinder auf der Hüfte getragen – und auf den Knien geschaukelt.
Sinnliche Bilder von inniger Nähe.
Gott steckt hinter dem Trost – und sein Tun gipfelt in dem Satz:
„Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet; ja, ihr sollt an Jerusalem getröstet werden.“
Gott, wie eine Mutter. So konkret, so lustvoll, so körperlich kommt Gott hier entgegen.
Unwillkürlich denken wir an unsere eigenen Mütter, an die Erfahrungen mit ihnen:
das Gefühl des Trostes, wenn sie uns auf den Schoß genommen haben;
das Gefühl der Sicherheit in den offenen Armen, wenn wir uns wieder einmal verlaufen haben.
Also: Gottes Mutterliebe reicht noch einmal über alles hinaus, was wir uns darunter so vorstellen. Und diese Liebe Gottes ist strapazierfähig. So wie die Mutterliebe – im Normalfall – auch. So leicht lässt sie sich nicht beirren. Diese Liebe kennt auch das Gefühl von Distanz. Jenes Gefühl, das wir auch ganz aktuell kennen.
Und wir kennen es aus früheren Tagen. Spätestens mit der Pubertät wird deutlich: Jugendliche gehen auf Distanz, entfernen sich – elterliche Liebe scheint dann wenig wert. Aber es ist ein Stück weit nötig: wie sonst sollen sie selbständig werden; sich abnabeln, Schritte in die Eigenverantwortung wagen? Dazu braucht es die eine oder andere Distanzierung.
Und das kennt auch Gott nur zu gut. Ein paar Verse vorher bemerkt Gott über sein Volk: „Ich war erfragbar für die, die nicht nach mir fragten, ich ließ mich finden, von denen, die mich nicht suchten“ (so in Jesaja 65,1).
Aber trotz der Distanz, trotz mancher Verweigerung: das Band der Liebe Gottes bleibt.
Es kann uns tragen durch manche trostlose Situation.
Es kann uns trösten, wenn wir noch kein Ende der Krise erspähen.
Es kann uns motivieren, in schwierigen Zeiten durchzuhalten.
Die Worte Jesajas haben Kraft: sie künden davon, dass die Welt trotz aller Bedrohung, trotz aller Probleme, die wir nun erleben, und jener Probleme, die noch auf uns zukommen, wenn wir ein wenig in die Zukunft blicken; trotz allem: die Welt ist voller Trost.
Menschen suchen und finden diesen Trost ganz selbstverständlich, indem sie anderen nahekommen.
Sie finden ihn in den Armen jener, die ihnen nahestehen:
ihren Müttern und Vätern, Großeltern, Freuden und Freundinnen, Familien und Nachbarschaften. Zurzeit dürfen Menschen diesen Trost aber nur in den Menschen finden, die mit ihnen gemeinsam wohnen.
Der Prophet spricht im Namen Gottes den Menschen dieser Welt seinen tröstlichen Frieden zu.
Einer Welt, in der die meisten Menschen eher auf Distanz zu ihm stehen.
Gott kann das tun, weil seine Liebe gilt. Die hält so manche Distanz aus.
Und warum sollte es mit unserer Liebe anders sein? Sollte nicht auch unsere Liebe die Distanz aushalten? Jene Distanz, zu der wir nun verpflichtet sind – oft gerade zu jenen Menschen, die uns nahe stehen.
Wir, als Christen und Christinnen, haben diese Perspektive: die Welt ist nicht einfach verloren.
Sie bleibt Gottes gute Schöpfung –
aller Abgründigkeit und Probleme zum Trotz:
sie steht unter Verheißung von Trost und Frieden –
ob wir davon schon etwas sehen oder auch nicht. Auch die heimgekehrten Jerusalemer sahen vor lauter Trümmern –
noch nicht die wieder aufgebaute Stadt. Wenn wir den Trost und den Frieden schon selbst nicht sehen können, so sind wir die, die davon erzählen können und sollen. Das ist unsere Aufgabe, ja unsere Berufung.
Das wird Mut geben, das wird Motivation geben, die schwierige Zeit zu bestehen;
die aktuell geforderte Distanz auszuhalten; nicht, weil das unserem Wunsch entspricht;
nicht, weil das unsere Berufung ist; sondern weil es jetzt nötig ist.
So vertrauen wir auf Gottes Zusage: es wird die Zeit des Trostes kommen; jene Zeit, in der das gemeinsame Leben wieder aufblühen wird.
Gottes Motivationsrede schließt mit lebensfrohen Bildern – mit Bildern, die Auferstehung ausdrücken: „Ihr werdet’s sehen, und euer Herz wird sich freuen, und euer Gebein soll grünen wie Gras.“ Amen.
Fürbitten
Weil wir vertrauen, dass Gott ein offenes Ohr für uns hat, bringen wir Bitte und Fürbitte vor ihn:
Gott des Lebens, Du hältst den Himmel offen, in dem Du Trost und Frieden versprichst: Nach wie vor erreichen uns Nachrichten von Kriegen und Konflikten – und von Menschen, die dabei auf der Strecke bleiben. Sie stranden in Lagern fern der Heimat, an Grenzen, die unüberwindbar bleiben. Lass Menschen nicht die Hoffnung verlieren, dass dein Himmel stärker ist als jede menschgemachte Hölle.
Schenke uns einen klaren Blick, wo wir dazu beitragen können.
Gott des Lebens, Du hältst den Himmel offen, in dem Du Trost und Frieden versprichst: Die Corona-Pandemie schränkt unser Leben stark ein, und hält uns vom alltäglichen Leben auf Distanz. Und mit den Viren verbreitet sich die Angst. Der sonst so vertraute Kontakt zu anderen Menschen birgt nun große Risiken. Lass uns nicht die Hoffnung verlieren, dass dein Himmel weiter reicht als unsere Angst. Schenke allen Kraft, die in wichtigen Bereichen arbeiten: jenen die Kranke behandeln und versorgen, und jenen, die die Versorgung von uns allen aufrecht halten. Schenke Kraft uns allen, dass wir verantwortlich mit uns selbst und anderen umgehen, ohne in Panik zu verfallen.
Gott des Lebens, Du hältst den Himmel offen, in dem Du Trost und Frieden versprichst: Manche spüren davon kaum etwas. sie fühlen sich eher einsam und haben sich vom Leben zurückgezogen. Oder sie trauern um Menschen, die nahe waren. Lass uns nicht die Hoffnung verlieren, dass dein Himmel auch sie einschließt – und schenke offene Augen und Ohren, dass sie nicht vergessen sind. Amen.
Segen
Gott begleite Sie mit seinem Segen in den nächsten Tagen und Wochen!
Gott, der ewige, segne Dich und behüte Dich.
Gott, der barmherzige, lasse sein Angesicht leuchten über Dir und sei Dir gnädig.
Gott, der liebende, hebe sein Angesicht auf Dich und schenke Dir Frieden.
In diesem Sinne: bleiben Sie behütet und gesund,
wünscht Pfr. Arndt Kopp-Gärtner (Administrator)
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